Im großen Stadtrechtsprivileg von 1277, in dem Herzog Albrecht der Stadt umfangreiche Freiheiten und Rechte bestätigte, wurden Juden zum ersten Mal für Hameln erwähnt.
Es wurde darin festgelegt, dass jeder Jude, der in Hameln wohnt, von allen Diensten an den Herzog befreit ist, der Stadt gegenüber aber zu den "Diensten eines Bürgers" verpflichtet ist. Der Herzog gab also seine Ansprüche auf den Dienst und das Geld der Juden auf. Die Juden gehörten der Stadt und genossen ihren Schutz, wofür sie natürlich bezahlen mussten. Der Herzog wollte die eben erworbene Stadt sich dadurch verpflichten, dass er ihr mit der Nutzung des Judenschutzes, der sonst meist bei den Landesherren lag, eine wichtige Finanzquelle überließ. Dieses außerordentliche Privileg ließ sich die Stadt in den nächsten Jahrhunderten mehrmals bestätigen.
Wie nutzte die Stadt ihren Freiraum gegenüber den Juden? Die Juden werden oft als "borghere" (=Bürger) bezeichnet. Ihre Rechtsstellung glich weitgehend der christlicher Bürger. Juden mussten sich z. B. an der Verteidigung der Stadt beteiligen und dafür auch Pferde halten.
Sie mussten Vermögenssteuern (den Schoß) und weitere – hohe – Abgaben zahlen. Das "Judenbürgerrecht" berechtigte nicht zum Eintritt in eine Kaufmanns-Gilde und schloss (wohl) auch keine politische Mitsprache ein.
Für "verpfänden" sagte man damals in Hameln "setten in den joden". Die vermögenden Juden waren also als Geldverleiher und im Pfandgeschäft tätig.
Wir wissen auch ein wenig über das Gemeindeleben dieser Juden. Die Gemeinde besaß in Miete von der Stadt ein Haus. Es handelte sich um ein Steinhaus, zu dem ein Hof sowie zwei Buden gehörten. Im Hof stand die Synagoge ("dere stad scole"). Weder das Haus noch die Synagoge können allerdings lokalisiert werden.
Wenig spricht dafür, darin die Löwenapotheke an der Ecke Neue Marktstraße-Bäckerstraße zu sehen, wie es ein heute am Gebäude angebrachtes Schild behauptet. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.
Der Hamelner Historiker Spanuth hatte die Löwenapotheke nach der Freilegung des sechszackigen Sterns im Giebelfeld (in den 1950er Jahren) sogar als Synagoge in Anspruch genommen. Das Hexagramm kann jedoch nicht als Beleg gelten; es steht auf zwei Spitzen und hat die Aufgabe, böse Geister abzuwehren. Der Judenstern, der Magen David, steht grundsätzlich auf einem Fuß und kommt erst im 19. Jahrhundert als jüdisches Symbol in Gebrauch.
Mit Sicherheit hat es in Hameln kein abgeschlossenes Judenviertel gegeben. Der Name Goengasse, "Judengasse", den der westliche Teil der Neuen Marktstraße seit dem 16. Jahrhundert trägt, fehlt in den alten Urkunden.

Jüdischer Eid. Der auf die Thora seinen Eid leistende Jude
muss sich auf die Haut einer Sau stellen (17. Jahrhundert).
Quelle Marx S. 23
Wir kennen für Hameln auch keine die Juden einschränkenden Bestimmungen, etwa Höchstzinssätze, ein Verbot gemeinsam zu baden, Kleiderordnungen oder entehrende Eidesformalitäten.
Juden müssen in vielen anderen deutschen Städten auf die Thora schwören und sich dabei auf die Haut einer Sau, also eines unreinen Tieres stellen. Es gibt noch viel schlimmere Darstellungen, welche die Grenze zum Obszönen weit überschreiten.
Die Offenheit der Hamelner Ratsherren gegenüber den jüdischen Bürgern ist beachtlich. Sie muss allerdings nicht für die Stadtbevölkerung als ganze gelten. Der aus den oberen Schichten sich rekrutierende Rat hatte ein Interesse an den Juden, weil sie die Wirtschaft belebten. Die Mittel- und Unterschichten der Stadtbevölkerung, also Handwerker und Krämer, waren häufig judenfeindlich eingestellt. Aber hier schweigen die Quellen für Hameln.
© Bernhard Gelderblom Hameln