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Die Stadt Hameln und ihre Juden
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Auf den Spuren des früheren jüdischen Lebens in Hameln - ein Stadtrundgang

Standort 5

Emmernstraße 28

Geschäfts- und Wohnhaus
Familie Hammerschlag

 
Die Familie Hammerschlag hatte in Hameln zeitweise zwei Geschäfte, darunter das "Berliner Kaufhaus für Konfektionswaren und Schuhe" in der Osterstraße 7. Unter dem Druck der Boykottmaßnahmen gab sie das Geschäft in der Osterstraße auf und führte nur die Filiale in der Emmernstraße 28 weiter. Wegen der anhaltenden Boykotte ging der Umsatz aber so deutlich zurück, dass die Familie von der Substanz leben musste. Trotzdem gelang es Hermann Hammerschlag, einen Konkurs zu vermeiden und das Geschäft weiter offen zu halten.

Das Ende des Geschäftes kam mit der Pogromnacht am 9. November 1938. Das Geschäft wurde gestürmt, verwüstet und teils geplündert. Der Rest des Warenlagers wurde "sichergestellt" und soll in das Lager der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt gebracht worden sein.

Hermann Hammerschlag wurde in "Schutzhaft" genommen und in das KZ Buchenwald verschleppt. Mit der erzwungenen Zusage, seinen Besitz so schnell wie möglich zu verkaufen und auszuwandern, wurde er Anfang 1939 aus Buchenwald entlassen.

Am 13. Januar 1939 wurden Haus und Geschäft für 29.000 RM an einen Privatmann verkauft – ein sehr geringer Preis für eine Immobilie, die jährlich 3.360 RM Mieteinnahmen einbrachte. Die Firma Hammerschlag wurde aus dem Handelsregister gelöscht.

Die finanziellen Reserven der Familie gingen schnell zu Ende. Hermann Hammerschlag sah sich genötigt, Teile seines verbliebenen Besitzes, der nur noch aus Hausrat, Möbeln und Kleidung bestand, zu veräußern, um die Mittel für die Auswanderung zusammen zu bekommen.

1939 begann die Stadt Hameln damit, entsprechend dem Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden gesonderte "Judenhäuser" einzurichten, in denen jüdische Menschen auf engem Raum konzentriert wurden.

Mieter des Hauses Emmernstraße 28 wandten sich am 6. Oktober 1939 mit der folgenden Eingabe an die Stadt Hameln:

"Die Unterzeichneten bitten den Oberbürgermeister davon Kenntnis zu nehmen, dass sie nicht gewillt sind, mit der jüdischen Familie Hammerschlag in dem im Hause befindlichen Luftschutzkeller zusammenzusitzen.
Es ist uns unmöglich, als deutsche Volksgenossen (z. T. sogar Parteigenossen) in Gesellschaft dieser Rasse zu verweilen.
Außerdem sind wir Männer am Tage sowohl wie auch zum Teil des Nachts nicht anwesend, weil wir anderweitig dienstlich zu tun haben. Unsere Frauen und Kinder wären dann in den meisten Fällen mit der genannten Familie zusammen im Luftschutzkeller, was wir nicht gutheißen können."

Nur acht Tage später forderte die Stadt Hameln, die für die "Umsetzungen" in die "Judenhäuser" verantwortlich war, die Familie Hammerschlag auf, in das "Judenhaus" Neue Marktstraße 13 einzuziehen.

In das "Judenhaus" zogen ein

die verwitwete Berta Hammerschlag, 71 Jahre alt,
ihr Sohn Hermann, 43 Jahre,
dessen Ehefrau Bianka, 35 Jahre und
die kleine Helene Dina, 4 Jahre.

Die Familie hatte in dem großen Haus zwei Zimmer zur Verfügung. Ein Teil der Wohnungseinrichtung musste im Keller des "Judenhauses" zwischengelagert werden.

Während sich die Auswanderung aus nicht bekannten Gründen immer wieder verzögerte und schließlich ganz scheiterte, musste Hermann Hammerschlag von September 1940 an täglich mit der Bahn zur Zwangsarbeit bei der Firma Kollenrott in Hannover-Herrenhausen fahren.

Am 28. März 1942 erfolgte der Abtransport Hermann Hammerschlags, seiner Frau und der Tochter Helene Dina aus Hameln in das Ghetto nach Warschau. Die Teilnehmer des Transportes fanden im Warschauer Ghetto katastrophale Bedingungen vor. Zeitweise lebten dort auf engstem Raum 500.000 Menschen. Ab Juli 1942 gab es regelmäßige Deportationen von Warschau nach Treblinka und andere Orte der Vernichtung.

Das weitere Schicksal von Hermann, Bianka und Dina Hammerschlag ist unbekannt. Sie sind im Ghetto Warschau verschollen.

Zwei Tage nach ihrer Deportation hielt ein Gerichtsvollzieher die in der Wohnung verbliebenen Kleidungs-, Wäschestücke, Schuhe und Möbel fest, um sie öffentlich unter der Hamelner Bürgerschaft versteigern zu lassen.

Die alte Berta Hammerschlag wurde am 23. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie fünf Monate später am 1. Januar 1943 starb. Auch ihr gesamter Hausrat wurde von Hamelner Mitbürgern günstig erworben. Der Versteigerungserlös betrug 695,97 RM.

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© Bernhard Gelderblom Hameln