© Bernhard Gelderblom Hameln
Die Familie Hammerschlag, das waren die verwitwete Berta Hammerschlag, 71 Jahre alt, ihr Sohn Hermann, 43 Jahre, dessen Ehefrau Bianka, 35 Jahre und die kleine Helene Dina, 4 Jahre alt.
Die Familie hatte in Hameln zeitweise zwei Geschäfte, darunter das "Berliner Kaufhaus für Konfektionswaren und Schuhe" in der Osterstraße 7. Unter dem Druck der Boykottmaßnahmen gab sie das Geschäft in der Osterstraße auf und führte nur die Filiale in der Emmernstraße 28 weiter. Wegen der anhaltenden Boykottmaßnahmen ging der Umsatz aber so deutlich zurück, dass die Familie von der Substanz des Geschäfts leben musste.
Das Ende kam mit der Pogromnacht am 9. November 1938. Das Geschäft wurde gestürmt, verwüstet und teils geplündert. Der Rest des Warenlagers wurde "sichergestellt" und soll in das Lager der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt gebracht worden sein.
Hermann Hammerschlag wurde in "Schutzhaft" genommen und im KZ Buchenwald interniert. Mit der erzwungenen Zusage, seinen Besitz so schnell wie möglich zu liquidieren und auszuwandern, wurde Hammerschlag Anfang 1939 aus Buchenwald entlassen.
Am 13. Januar 1939 wurden Haus und Hauptgeschäft in der Emmernstraße 28 für 29.000 RM an den Klempnermeister Karl Heusing verkauft – ein sehr geringer Preis für eine Immobilie, die jährlich 3360 RM Mieteinnahmen einbrachte. Die Firma Hammerschlag wurde aus dem Handelsregister gelöscht.
Die finanziellen Reserven der Familie, die 1939 zur "Judenvermögensabgabe" herangezogen wurde, gingen schnell zu Ende. Hammerschlag sah sich genötigt, Teile seines verbliebenen Besitzes, der nur noch aus Hausrat, Möbeln und Kleidung besteht, zu veräußern, um die Mittel für die Auswanderung zusammen zu bekommen.
Bewohner des Hauses Emmernstraße 28 wandten sich am 6. Oktober 1939 mit der folgenden Eingabe an die Stadt Hameln:
"Die Unterzeichneten bitten den Oberbürgermeister
davon Kenntnis zu nehmen, dass sie nicht gewillt sind, mit der jüdischen
Familie Hammerschlag in dem im Hause befindlichen Luftschutzkeller zusammenzusitzen.
Es ist uns unmöglich, als deutsche Volksgenossen (z. T. sogar Parteigenossen)
in Gesellschaft dieser Rasse zu verweilen.
Außerdem sind wir Männer am Tage sowohl wie auch zum Teil des Nachts nicht
anwesend, weil wir anderweitig dienstlich zu tun haben. Unsere Frauen und
Kinder wären dann in den meisten Fällen mit der genannten Familie zusammen
im Luftschutzkeller, was wir nicht gutheißen können."
Nur acht Tage später forderte Reiche, der für die "Umsetzungen" in die "Judenhäuser" verantwortlich war, die Besitzerin des Hauses Neue Marktstraße 13 auf, mit der Familie Hammerschlag "einen diesbezüglichen Mietvertrag sofort abzuschließen."
In das "Judenhaus" zogen ein
die verwitwete Berta Hammerschlag, 71 Jahre alt,
Sohn Hermann, 43 Jahre, dessen Ehefrau Bianka, 35 Jahre und
die kleine Helene Dina, 4 Jahre.
Sie hatten zwei Zimmer zur Verfügung. Die Wohnungseinrichtung, Kleider, Wäsche und Hausrat wurden im Keller des "Judenhauses" zwischengelagert.
Als sich "arische" Mieter bei der Stadt beschwerten, ihre Kinder müssten mit jüdischen Kindern zusammen spielen, antwortete Vermessungsrat Reiche:
"Es ist Aufgabe der arischen Eltern, auf ihre Kinder zu achten, dass sie nicht mit Juden sprechen."
Die Familie wollte auswandern. Im November 1939 legte Hammerschlag dem Oberfinanzpräsidenten seinen Antrag auf Mitnahme von Umzugsgut vor. Die Transportliste wurde Ende des Monats genehmigt. Die Auswanderung verzögerte sich aber immer wieder aus nicht bekannten Gründen.
Von September 1940 an wurde Hermann Hammerschlag bei der Firma Kollenrott in Hannover-Herrenhausen als Zwangsarbeiter eingesetzt und musste täglich mit der Bahn dorthin fahren.
Am 28. März 1942 erfolgte der Abtransport Hermann Hammerschlags, seiner Frau und der Tochter Helene Dina aus Hameln nach Warschau. Zwei Tage später hielt ein Gerichtsvollzieher fest:
"Aufstellung der in den Wohnungen der evakuierten
Juden vorgefundenen Kleidungs-, Wäschestücke, Schuhe, Möbel, usw.
Der Oberbürgermeister, Hameln, den 30. März 1942
Hermann Israel Hammerschlag, Neue Marktstraße 13
1 Büffet,
6 Stühle,
1 Vitrine,
1 Frisiertoilette,,
2 Nachtschränke,,
2 Betten mit Matratzen,
1 Kleiderschrank mit Wäsche und Kleidungsstücken,
2 Stühle."
Die Höhe des Versteigerungserlöses ist nicht bekannt.
Die alte Berta Hammerschlag wurde am 23. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie fünf Monate später starb. Auch ihr gesamter Hausrat wurde von Hamelner Mitbürgern günstig erworben. Der Versteigerungserlös betrug 695,97 RM. Zuvor sicherte sich das Finanzamt Hameln Gegenstände aus ihrem Besitz.
"Finanzamt Hameln an den Herrn Oberfinanzpräsidenten
Hannover
Hameln, den 10. Oktober 1942
Betr.: Ausstattung der Diensträume und Dienstwohnungen mit Möbeln und Einrichtungsgegenständen aus früherem jüdischen Besitz
Für die Ausstattung des Amtes sind verwendet worden
Aus dem Nachlass der Jüdin Hammerschlag:
1 eiserne Bettstelle mit Aufleger und 1 Steppdecke."