© Bernhard Gelderblom Hameln
Johanne Michaelis war unverheiratet und ohne Berufsausbildung. Ihrem Bruder, dem Tabakwarengroßhändler Julius Michaelis, führte sie den Haushalt. Nach seinem Tod im Jahre 1934 übernahm sie das Haus Osterstraße 7, in dem sie 1871 geboren worden war und das schon drei Generationen lang im Besitz ihrer Familie war. Sie lebte von den Mieteinnahmen.
Am 28. März 1939 sah sich die alte Dame gezwungen, ihr Haus an den Gärtnereibesitzer Pfohl für 43.000 RM zu verkaufen. Im Vertrag wurde ihr lebenslanges Wohnrecht zugesichert und die monatliche Miete auf 30 RM festgesetzt. Sie informierte den Oberfinanzpräsidenten in Hannover über die vertraglichen Vereinbarungen und versicherte, dass sie nicht gedenke, den Verkaufserlös ins Ausland zu transferieren.
"Infolge meines hohen Alters, ich bin 68 Jahre, sowie dauernder Krankheiten, kommt eine Auswanderung für mich nicht in Frage."
Der Oberfinanzpräsident genehmigte den Verkauf, untersagte aber die freie Verfügung über den Erlös. Ein Teil des Erlöses wurde als "Sühneleistung" ("Judenvermögensabgabe") an das Finanzamt Hameln überwiesen.
Entgegen dem Vertrag und allen Absprachen musste Johanne Michaelis 1940 ihre Wohnung verlassen und wurde in das "Judenhaus" Pferdemarkt 8 "umgesetzt".
Für ihren Abtransport nach Theresienstadt bat sie einen Tischler, ihr eine Transportkiste anzufertigen. Dabei übergab sie ihm eine Gedenktasse, die anlässlich der silbernen Hochzeit ihrer Großeltern angefertigt worden war. Sie mochte sie nicht mitnehmen und bat ihn, die Tasse "bis nach dem Kriege" aufzubewahren.
Am 4. August 1942 – Johanne Michaelis war bereits nach Theresienstadt deportiert – wurde auf Veranlassung des Oberfinanzpräsidenten ihr restliches Vermögen aus dem Verkauf des Hauses in Höhe von 13.684,95 RM von ihrem Sparkonto "zwecks Einkauf in ein jüdisches Alters- und Siechenheim" abgehoben. Wie andere jüdische Bürger auch wurde sie zum Abschluss eines sog. "Heimeinkaufsvertrages" in das KZ gezwungen.
Die öffentliche Versteigerung ihres Hausrats unter den Bürgern Hamelns erbrachte nochmals 963,97 RM für die Finanzkasse. Zuvor hatte sich das Finanzamt Hameln noch das Bett und eine Steppdecke aus ihrem Besitz zur "Ausstattung der Diensträume" sichern können.
Johanne Michaelis starb am 16. Februar 1943 In Theresienstadt.